#30 Zwei Wochen backpacken in Nicaragua – einem Land voller Gegensätze

Ein Land voller Gegensätze – so bezeichnete unser Guide Leo sein Heimatland bei unserer Free Walking Tour in León. Ein Land, das in den letzten 500 Jahren nur 60 Jahre Frieden verzeichnen konnte, in dem sich Diktatoren des politisch rechten und linken Spektrums gegenseitig ablösten und nicht zuletzt durch politische Konflikte innerhalb des Landes Fortschritts- und Entwicklungsversuche immer wieder im Keim erstickt wurden oder langsam versickerten. Nicht zuletzt setzten der Bevölkerung auch immer wieder Naturkatastrophen, allen voran Vulkanausbrüche und Hurricanes stark zu. In den Medien wird das Land häufig als „Land der Vulkane und Seen“ bezeichnet. Mit über 8000 km² ist der Nicaraguasee der drittgrößte See Lateinamerikas. Inmitten des Sees liegt die Insel Ometepe, auf der sich gleich zwei Vulkane befinden. Der Legende nach besiedelten die Ureinwohner*innen zunächst Ometepe, als sie vor den Maya und Azteken in Richtung Süden flüchteten – eine Vision wies ihnen den Weg zu „zwei Feuerbergen von Wasser umgeben“.
Schon 1503 landete Kolumbus in Nicaragua, ab 1519 starteten spanische Konquistadoren erste Beutezüge vom bereits besetzten Costa Rica aus. Bereits 1523 wurde die Stadt Granada gegründet, die heute ein beliebtes Touristenziel ist. Obwohl es bereits 1725 zu Aufständen gegen die spanische Besatzung in León kam, dauerte es noch fast 100 Jahre, bis Nicaragua im Jahr 1821 unabhängig wurde. Im 20. Jahrhunderte jagte eine Revolution die nächste, die USA und Russland waren in verschiedenen Militäraktionen involviert. Bis heute ist Nicaragua keine stabile Demokratie, sondern wird aktuell autokratisch regiert.

Von den 6,9 Millionen Einwohner*innen leben 60% in Städten, allein etwa 1,2 Millionen in der Hauptstadt Managua. Léon ist mit etwas mehr als 160.000 Bewohner*innen die zweitgrößte Stadt des Landes. Mit 120.000 km² hat Nicaragua ein Drittel der Fläche Deutschlands. Es grenzt an Honduras im Norden und Costa Rica im Süden und hat sowohl eine Atlantikküste im Osten als auch eine Pazifikküste im Westen. Die Pazifikküste ist ein beliebtes Ziel für Surfer*innen aus aller Welt, während die Atlantikküste touristisch eher wenig erschlossen ist und die Infrastruktur eher dürftig. Lediglich die Corn Islands liegen etwa 70 Kilometer von der Küste Nicaraguas entfernt im Atlantik und wird als Anlaufpunkt für Tourist*innen immer beliebter.

Wir starten unsere Nicaragua-Rundreise in Playa Maderas im Süden der Pazifikküste. Hier erwarten uns traumhafte Strände und einzigartige Sonnenuntergänge, sengende Hitze und ein Hotspot für Surfbegeisterte. Im Hotel Clandestino kommen wir für drei Nächte unter und genießen die Ruhe und die malerischen Sonnenuntergänge.

Es zieht uns weiter nach Granada. Die Innenstadt ist geprägt vom Baustil aus Kolonialzeiten und zahlreicher bedeutender Bauten aus der Kolonialzeit, etwa der fast 500 Jahre alten Kathedrale (die jedoch 1880 nach einem Brand im Jahr 1856 komplett neu errichtet werden musste), der Barockkirche La Merced aus dem 18. Jahrhundert oder dem Franziskanerkloster aus dem Jahr 1529. Direkt am Nicaragua-See gelegen gehören auch über 300 winzige Inseln, die sogenannten Isletas zu Granada, die man im Rahmen verschiedener Bootstouren besichtigen kann. Zu jedem Besuch sollte außerdem eine Besteigung des nahegelegenen Vulkans Masaya zählen, doch dieser ist aufgrund seiner hohen Aktivitäten derzeit für Besucher*innen gesperrt und Expert*innen vermuten, dass der 635 Meter hohe Vulkan bald ausbrechen könnte. Wir kommen im Hostel Oasis unter und finden uns inmitten feiernder Abiturient*innen und anderer Partytourist*innen aus aller Welt. Schließlich lassen wir uns noch auf die „Booze-Cruise“ ein, bei der man auf einer Art Partyboot über den See bis zu einer „geheimen“ Partylocation schippert. Während wir gemütlich an unserem Bier nippen, tanzen die Kids auf der Unterseite des Decks vollgepumpt mit Rum-Cola zu Musik aus den frühen 2010er Jahren, die mit einem Technobeat unterlegt wurde. Wir bleiben etwas ratlos zurück, was uns dazu getrieben hat, hier mitzufahren und während ein Großteil der Party-Crew noch in der geheimen Party-Location verbleibt, nehmen wir bereits gegen 19.00 Uhr ein Shuttle zurück zur Stadt und gehen Abendessen, denn spätestens um 22.00 Uhr ist dann doch Schlafenszeit (Felix muss ja wieder um 4.30 Uhr die ersten Meetings machen!).

Insgesamt bekommen wir den Eindruck, dass Nicaragua eine Art Hotspot für junge Partytourist*innen zu sein scheint – überall gibt es Pub Crawls, organisierte Sauftouren zu Stränden und diverse Partyhostels, bei denen man zur Begrüßung erstmal drei Shots billigen Rum bekommt (wahlweise mit Cola oder Orangensaft!). So hatten wir uns das nicht vorgestellt – wir sind müde von der langen Reise, sehnen uns nach gutem Schlaf und Erholung und wollen eigentlich nur ein bisschen die Natur genießen und das Land kennenlernen! Auf Bekanntschaften mit betrunkenen 18-Jährigen und Flatrate-Saufen können wir gut verzichten und so hoffen wir, dass die etwas entlegene Insel Ometepe hält, was sie verspricht: ein relaxter Vibe, ruhige Strände, viel Natur und Erholung.

Und tatsächlich gefällt es uns hier wirklich gut! Wir landen im Hostel Life is Good, wo wir freundlich empfangen werden und erklärt bekommen, was man auf der Insel so erleben kann. Unsere erste Aktion ist ein 6 km langer Spaziergang zu einem Strand, von dem man nicht nur den Sonnenuntergang sehen kann, sondern auch einen fantastischen Blick auf den Vulkan Concepción hat, den wir am nächsten Tag besteigen wollen. Den 1610 m hohe aktive Vulkan sieht man schon von Weitem, wenn man mit der Fähre auf die Insel zufährt. Wir gönnen uns eine Kokosnuss und eine Mango und genießen den Blick auf den See, bevor wir den Rückweg antreten.

Um 6.30 Uhr am nächsten Morgen starten wir die Wanderung auf den Vulkan. Es ist schon in der Früh unerträglich heiß und es geht steil bergauf. Hinzu kommt, dass der Weg extrem unangenehm zu laufen ist, da vor allem loses Geröll und Schotter den Untergrund bilden. Unseren Guide mögen wir auch nicht. Die Hitze ist grausam und der Schweißt fließt in Strömen. Doch kaum sind wir über der Baumgrenze angekommen, wird es plötzlich kühl und extrem windig und es beginnt zu regnen. Wir sehen im Prinzip nichts aus einer dicken Nebelwolke vor uns. Am Gipfel angekommen können wir nicht einmal den Krater vor uns erkennen und der Wind ist so stark, dass es uns die Mützen vom Kopf bläst. Also treten wir schnell und ein bisschen frustriert wieder den Rückweg an. Die Wanderung war wirklich hart und das Ergebnis eher enttäuschend. Wir haben das Gefühl, dass wir prinzipiell kein Glück mit Vulkanen haben – entweder sie sind teilweise gesperrt (Pucón, Chile), ganz gesperrt (Masaya, Nicaragua) oder wir sehen nichts (dieses Mal). Zwar haben wir keine schönen Fotos zur Erinnerung, dafür aber ordentlich Muskelkater an den nächsten Tagen.

Warum also am kommenden Tag nicht lieber auf unnötig viel Laufen verzichten und stattdessen mit dem Roller auf der Insel herum cruisen? Wir fahren zunächst zum Reserva Charco Verde, einem kleinen Naturschutzgebiet mit zwei Lagunen, wo man gemütlich spazieren und Brüllaffen sehen kann. Danach geht es zum Río Isthián, wo wir mir dem Kayak im Sumpfgebiet herumschippern und viele Vögel und auch Kaimane sehen können. Das Kayakfahren bei 35 °C in der Sonne erweist sich als anstrengend und kräftezehrend und so brauchen wir erstmal ein leckeres Mittagessen. Im Café Campestre gibt es viele vegetarische Gerichte mit Zutaten aus lokalem Anbau und nach einer Stärkung fahren wir dann zurück zum Hostel. Am nächsten Tag geht es zurück zum Festland und dann weiter nach León.

Nach unserer Ankunft am späten Nachmittag in unserer Unterkunft Harvest House schlendern wir etwas durch die Stadt und schauen uns den Sonnenuntergang von der Dachterrasse der Bar El Mirador aus an. Am nächsten Tag müssen wir wieder früh los, denn es geht zum Volcano Boarding! Zunächst erklimmen wir den 728 m hohen Cerro Negro. Der Weg ist eigentlich einfach, doch wir müssen das schwere Holz-Board mit nach oben tragen und der Wind macht dies gegen Ende noch schwieriger, da das Brett eine tolle Angriffsfläche bietet. Oben angekommen werfen wir uns in gelbe Ganzkörperanzüge und ziehen Taucherbrillen auf. Dann stürzen wir uns den Vulkan auf den Brettern hinab. Während manche richtig flott unterwegs sind und auch nicht ganz so heil unten ankommen, bin ich furchtbar langsam und etwas traurig, dass mit der Adrenalinkick verwehrt bleibt. Gegen ein Uhr am Mittag sind wir wieder zurück im fast 40 °C heißen León und gönnen uns ein fantastisches Mittagessen im veganen Restaurant Coco Calala. Um 16.00 Uhr startet unsere Free Walking Tour, bei der wir viel über Land und Leute erfahren und den lokalen Markt, ein Kulturzentrum und die Kathedrale von León besuchen.

Nach zwei Tagen, in denen wir es ruhig angehen lassen und arbeiten, steht dann unsere Campingtour zum Vulkan El Hoyo mit anschließendem Besuch bei der Lagune Asososca an. Die Lagune ist ein Kratersee, in dem man sogar schwimmen kann! Doch das ist dann die Belohnung am zweiten Tag. Am ersten Tag starten wir am Mittag in Richtung Nationalpark. El Hoyo bedeutet übersetzt „das Loch“ und damit ist wohl der gigantische Krater gemeint, der 120 Meter im Durchmesser misst.

Brudi, ich muss los, wenn die Roller wieder schrei’n

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