In schlappen 16 Stunden fahren wir von Nicaragua aus nach Guatemala und überqueren dabei gleich drei Ländergrenzen: Zunächst müssen wir von Nicaragua nach Honduras und von dort geht es weiter nach El Salvador, von wo aus wir schließlich schon reichlich spät am Abend die Grenze nach Guatemala passieren. Unser Ziel ist Antigua Guatemala (vereinfacht meist kurz Antigua genannt), die frühere Hauptstadt Guatemalas, die aber schon lange von der größeren, aber weniger sehenswerten Metropole Guatemala City in ihrer Funktion abgelöst wurde.
Antigua wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts von den Spaniern gegründet und blieb von 1543 bis 1773 die Hauptstadt Guatemalas. Umgeben von bis heute noch aktiven Vulkanen wurde die Stadt jedoch immer wieder von Vulkanausbrüchen und Erdbeben heimgesucht, was dazu führte, dass sie nach dem großen Erdbeben von 1773 nicht wieder aufgebaut und verlassen wurde und so zunächst ihre Bedeutung verlor. Bis dahin galt Antigua nämlich als eine der wichtigsten Städte Mittelamerikas. Nach und nach kamen die Menschen zurück in die Stadt und bauten sie teilweise wieder auf. Noch heute zeugen mehr als ein Dutzend Ruinen von der ehemaligen Pracht der Kolonialbauten und der Schwere des Erdbebens.
Aufgrund der Lage im Hochland Guatemalas eignet sich die Region hervorragend für die Anbau von Kaffee. In Antigua und in den Fincas um die Stadt herum kann man Plantagen besichtigen, Unmengen Kaffee verköstigen und verschiedenste Kreationen kaufen. Zugleich ist der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle für Antigua: Aus der ganzen Welt kommen die Menschen, um sich die Ruinen der einst herrschaftlichen Bauten und Kirchen anzuschauen oder einen der umliegenden Vulkane zu besteigen. Wer es etwas weniger abenteuerlich und anstrengend mag, der kann auf den 2552 m hohen Pacaya steigen, der zuletzt 2021 ausgebrochen ist.
Deutlich anstrengender ist der Weg zu El Fuego , der seinem Namen alle Ehre macht: Hier darf man sich nicht allzu sehr dem Krater nähern, denn der Vulkan macht seinem Namen alle Ehre und ist äußerst aktiv. Ganze 3763 m misst El Fuego und brach zuletzt im Jahr 2023 aus, 2018 kam es zu einem der heftigsten Ausbrüche in en letzten 40 Jahren und die Stadt hatte Verletzte und sogar Tote zu beklagen. Dennoch ist es für Tourist*innen möglich, relativ nah an den Vulkan zu gelangen und die ständigen kleineren Ausbrüche zu bestaunen. Am besten besteigt man dafür den ihm gegenüberliegenden Acatenango. Der fast 4000 m hohe Nachbar von El Fuego ist derzeit nicht aktiv und man kann daher am Fuße des Gipfels in einem der Basecamps übernachten und das Feuerspektakel von El Fuego aus „sicherer“ Entfernung bewundern.
Nach einer wohlverdienten Mütze Schlaf starten wir unsere Tour durch Antigua zusammen mit einer App, mithilfe derer man die wichtigsten Ruinen der Stadt besuchen kann und dabei Infos zum jeweiligen Gebäude erhält. So navigieren wir uns bei sonnigem Wetter durch die Gassen von Kirche zu Kirche (ein paar Kloster sind auch dabei), denn die meisten sehenswerten Ruinen sind sakrale Bauten.
Besonders berühmt ist der Arco de Santa Catalina, der eine der zentralen Gassen überspannt. Der Bogen stammt aus dem 17. Jahrhundert und verband das Kloster Santa Catalina mit einer Schule. Gleich dahinter befindet sich die Kirche La Merced, die 1767 fertiggestellt wurde und im Gegensatz zu den meisten Kirchen in Antigua ist der imposante Barockbau immer noch gut erhalten und hat das große Erdbeben von 1773 relativ unbeschadet überstanden.
Ziemlich beeindruckend sind die Überreste der Kathedrale San José: Bereits 1545 wurde hier eine Kathedrale gebaut, doch bereits 1583 bei einem Erdbeben wieder zerstört. 1670 begann man erneut mit dem Bau einer Kathedrale, welche der Bedeutung der Stadt Tribut zollen sollte: 11 Jahre lang arbeiteten vor allem indigene Sklaven an der neuen Kirche, die in der Region ohne ihresgleichen war: Fünf Kirchenschiffe und 18 Kapellen, dazu ein wahnwitzig prunkvoller Altar aus Elfenbein und Silber. Doch wie es das Schicksal so wollte, setzten weitere Erdbeben der Kathedrale heftig zu und das große Beben von 1773 gab ihr schließlich den Rest. Ein Teil wurde wieder aufgebaut und man kann die Ruinen heutzutage auch von Innen besichtigen, was sich wirklich lohnt – denn selbst die Ruine der einst prächtigsten Kathedrale Südamerikas sind immer noch beeindruckend. Vom zentralen Platz aus kann man die Fassade von außen bestaunen.
Wir gehen weiter zur Ruinen der Kirche El Carmen mit einer reichlich verzierten Fassade mit den massiven Säulen. Auch sie fiel einem der zahlreichen Erdbeben zum Opfer, wobei die Fassade noch relativ heil davongekommen ist.
Eine ebenfalls beeindruckende Fassade weist die Kirche der Gemeinschaft Jesu auf, die von den Jesuiten ab 1561 gemeinsam mit einer Schule erbaut wurde. Der Bau dauerte ganze 50 Jahre und die Gemeinschaft wurde zu einem wichtigen kulturellen und edukativen Zentrum. Bei dem Erdbeben von 1717 wurde jedoch auch diese Konstruktion zerstört.
Zuletzt besuchen wir noch die Kirche von Santa Rosa aus dem Jahr 1570, deren Fassade zwei große Risse aufweist, welche quasi Zeitzeugen der beiden großen Erbeben im 18. Jahrhundert darstellen. Lediglich die Fassade steht noch, sodass man die Heiligenbilder, welche in die Fassade eingeritzt wurden, noch heute begutachten kann.
Neben den unzähligen Kirchen gibt es auch eine große Anzahl von Klöstern, denn es war üblich, dass wenigstens eines der Kinder einer Familie in ein Kloster eintrat. Dies war vor allem für Frauen die einzige Möglichkeit, Lesen und Schreiben zu lernen und Bildung zu erlangen. Die Familien der zukünftigen Nonnen mussten jedoch eine Spende an den Orden tätigen, sodass Mädchen aus armen Familien der Eintritt meist verwehrt blieb. Das Kloster von Santa Clara wurde 1699 von Nonnen aus dem benachbarten Mexiko gegründet. Sowohl der erste als auch der zweite Bau des Klosters wurden von den beiden großen Erdbeben 1717 und 1773 zerstört, der nachfolgende Wiederaufbau ist jedoch bis heute erhalten geblieben. Das Kloster hat einen wunderschönen Garten mit Springbrunnen und Blumenbeeten und kann für 40 Quetzales besichtigt werden.
Das zweite wichtige Kloster in der Stadt ist das Kapuzinerkloster, das 1736 eingeweiht wurde und damit das letzte Kloster ist, das in der Stadt gegründet wurde. Anders als im Santa Clara Kloster konnte man hier ohne Spende seitens der Familie eintreten und somit war der Orden für Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten geöffnet, wobei die Regeln im Kloster extrem streng waren.
Die Kirche von Santo Domingo wurde im 16. Jahrhundert vom Dominikanerorden in Auftrag gegeben, welcher zu dieser Zeit der größte und wichtigste Orden in Antigua war. Erst in den 1970er Jahren wurden die Überreste der riesigen Kirchenanlage freigelegt und ab den 1990er Jahren in ein 5-Sterne-Hotel und eine exklusive Eventlocation umgewandelt. Trotzdem kann man das Gelände heute noch besuchen und die Restaurator*innen haben Wert darauf gelegt, das historische Gebäude zwar nutzungsfähig, aber originalgetreu wieder herzurichten.
Ein wichtiger Anlaufpunkt in der Stadt war das öffentliche „Waschbecken“ am Hauptplatz, dem Tanque de la Unión. Hier konnte man Wäsche waschen und dabei ein bisschen tratschen. Noch heute ist das Waschbecken aus dem 19. Jahrhundert mit Wasser gefüllt und man kann zwischen den Bögen hindurch auf den zentralen Platz schauen.
Auch abseits der historischen Ruinen und sakralen Gebäude finden sich in Antigua immer noch wunderschöne Häuser aus der Kolonialzeit. Von außen sehen sie im Vorbeigehen oft unscheinbar aus, doch tritt man einmal durch die Tür, eröffnet sich dahinter meist ein großer Innenhof oder ein Garten und ringsherum viele weitere Eingänge zu Geschäften, Bars und Cafés. So finden wir etwa eine fantastische Weinbar oder viele Cafés, wo wir den lokalen Kaffee probieren. Es ist also nicht verwunderlich, dass das historische Zentrums Antiguas seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.
20 Kilometer von Antigua entfernt liegt La Soledad am Fuße des Acatenango. Von hier aus starten wir unsere Wanderung, denn wir haben noch einen Punkt auf der Bucket-List unserer Reise offen: Einen aktiven Vulkan sehen und zwar mit Lava! Bisher blieb uns das ja leider verwehrt. All unsere Hoffnung setzen wir nun auf El Fuego. Wir starten zu fünft in Richtung Vulkan, unser Guide Edwin und ein nettes britisches Pärchen begleiten uns. Als wir am Eingang des Nationalparks ankommen, staunen wir jedoch nicht schlecht, als wir die Massen an Touris sehen – teilweise sind mehr als 20 Teilnehmende in einer einzigen Gruppe. Wir haben uns für ein lokales Unternehmen entschieden, die nur mit Guides aus La Soledad arbeiten und so die örtliche Community unterstützen und sind mehr als glücklich mit unserer Entscheidung.
Nach etwa vier Stunden erreichen wir unser Nachtlager. Eigentlich sollten wir von hier aus einen perfekten Blick auf El Fuego haben, doch dicke Wolken hüllen uns ein und versperren uns die Sicht. Nach einer Pause machen wir uns dann aber auf in Richtung El Fuego, auch wenn das Wetter immer noch schlecht ist und die Hoffnung auf wolkenfreie Sicht immer mehr schwindet. Zwischendurch haben wir dann aber Glück und die Sicht auf den aschespuckenden Vulkan vor uns wird frei. Die Wanderung zu El Fuego ist beschwerlich, denn zuerst geht es ziemlich steil bergab und dann direkt wieder ziemlich steil bergauf. Oben angekommen sehen wir wieder nichts als dicke Wolken und frieren. Ein bisschen klart es dann doch noch auf, aber kurz vor Einbruch der Dunkelheit will unser Guide zurück ins Lager, denn der steile Abstieg ist gefährlich und nicht selten brechen Knochen. Im Dunkeln geht es dann wieder bergauf und wir sind völlig erschöpft, als wir zum Abendessen am Basecamp ankommen. Edwin macht uns ein Feuer und wir grillen ein paar Marshmallows, doch so richtig glücklich sind wir nicht: Von El Fuego keine Spur, immer noch ist es viel zu bewölkt. Soll es das jetzt gewesen sein? So viele Höhenmeter und Kilometer für nichts? Wir erinnern uns an die spektakulären Aufnahmen, die wir zuvor gesehen haben und entschließen uns dann irgendwann, traurig und durchgefroren, ins Bett zu gehen. Schließlich müssen wir am nächsten Morgen um 4.30 Uhr aufstehen und zum Gipfel des Acatenango wandern, um den Sonnenaufgang zu sehen!
Um 2.30 Uhr werden wir dann aber plötzlich wach: El Fuego wurde gerade so richtig wach und spuckt grollend Lava in die Höhe. Und nun haben sich die fiesen Wolken zum Glück verzogen: Wir haben freie Sicht auf das Feuerspektakel, ziehen uns unsere dicken Jacken an und sitzen bei Eiseskälte und mitten in der Nacht auf den Plastikstühlen vor der Hütte und warten, bis die nächste Lavafontäne nach oben steigt. Fast eine Stunde bleiben wir wach, um die Eruptionen zu sehen. Noch eine Stunde Schlaf und dann geht es los in Richtung Gipfel. Von hier aus sehen wir dann El Fuego bei Tageslicht in seiner vollen Pracht und die atemberaubend schöne umliegende Vulkanlandschaft. Doch morgens um 6 Uhr ist es auf fast 4000 Metern auch ganz schön kalt und wir sind schon eine Stunde nach oben gewandert, ohne zu frühstücken. Also geht es gegen 6.30 Uhr wieder nach unten und nach einer Stärkung machen wir uns auf den Rückweg, während der Vulkan weiter meterhohe Rauchwolken in die Luft steigen lässt.
Unglaublich müde kommen wir in Antigua an, wohlwissend, dass auch die nächste Nacht früh enden wird: Um 3.45 Uhr holt uns das Shuttle nach Flores ab. Etwa 12 Stunden sind wir unterwegs zu unserem zweiten und letzten Stopp in Guatemala. Von hier aus ist es nur noch eine Stunde mit dem Auto zur Maya-Stätte Tikal und auch nicht mehr weit nach Belize, unserem darauffolgenden Halt. Eigentlich ist es nun doch fast ein bisschen schade, dass wir so wenig Zeit in Guatemala haben, denn ehrlicherweise gefällt es uns hier wirklich gut (deutlich besser als in Nicaragua, sorry!) und es gibt noch viel zu entdecken. Auch die kleine Touristeninsel Flores ist ein hübsches Fleckchen und es gibt leckere Cafés und Restaurants direkt am Wasser. Leider ist es hier wieder ungleich heißer als in Antigua, denn wir sind schon wieder im tropischen Regenwald. Um der Hitze etwas zu entgehen, besuchen wir die Ausgrabungsstätte Tikal direkt am frühen Morgen und müssen schon wieder um 5 Uhr raus – im Laufe unseres Besuchs merken wir dann auch wieder, dass es eine gute Idee war, bald nach Hause zu fliegen, denn obwohl die Stätte beeindruckend ist, sind wir schon wieder ganz schön platt…lange Autofahrten, eine Vulkanbesteigung und die unglaubliche Hitze der letzten Wochen haben uns einfach ganz schön ausgeknockt.
Die Region um Tikal war vermutlich zwischen 900 v. Chr. und 900 n. Chr. von den Maya besiedelt. Ab etwa 400 v. Chr. begannen erste Bautätigkeiten in Form von Tempelanlagen. Die Blütezeit von Tikal wird aus die Zeit zwischen dem 4. und 9. Jhd. n. Chr. datiert. Während andere Maya-Zentren um das Jahr 200 n. Chr. zu Ende gingen, überstand Tikal diese Phase und stieg zu einem der wichtigsten Machtzentren auf. Da es dank Überlieferungen gelang, die Schrift der Maya zu dechiffrieren, kann man relativ gut nachvollziehen, was in dieser Zeit passiert ist: Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. kam es zur Eroberung Tikals durch die Armee aus Teotihuacán (in der Nähe des heutigen Mexiko City) und einer Beeinflussung durch die Eroberer, was man an abweichenden Baustilen in Tikal, welche für die Teotihuacán üblich waren, nachvollziehen kann. Obwohl Tikal danach seine Macht in der Region konstatierte und den Erzfeind aus dem benachbarten Calakmul vernichtend schlug, wurde die Stadt um 900 n. Chr. verlassen. Es gibt Theorien, dass lange Dürreperioden zum Ausbleiben von Ernten führten, welche durch zunehmende Abholzung durch die Maya noch verstärkt wurden.
In der Hochphase könnten laut Forschenden bis zu 200.000 Menschen in Tikal gelebt haben. Der zentrale Bereich erstreckt sich über ca. 16 km² mit dem großen Platz im Zentrum und zahlreichen Tempeln und Nekropolis aus verschiedenen Phasen der Besiedlung. Bisher sind nur etwa 15% der gesamten Anlage freigelegt worden und selbst im zentralen Bereich gibt es noch Bauten, die von der Vegetation überwuchert sind, da es sehr aufwändig und teuer ist, die Freilegung durchzuführen.
Mit unserem Besuch von Tikal haben wir ein weiteres UNESCO-Weltkulturerbe in Guatemala besichtigt. Doch das nächste wartet bereits auf uns: In Belize gehen wir am zweitgrößten Korallenriff der Welt schnorcheln und hoffen, dass wir auch einigen Haien begegnen. Nach einem kurzen Aufenthalt in Belize machen wir dann noch zwei Tage Pause in Tulum, das wir bereits auf unserer Mexikoreise 2019 besucht haben, bevor wir von dort aus dann den Heimflug antreten. Unser kurzes Fazit zu unserem Aufenthalt in Guatemala: Das kleine Land hat viel zu bieten und auch der kurze Besuch hat sich bereits sehr gelohnt!
In diesem Sinne: Das war unser letzter Blogbeitrag, denn ab jetzt können wir euch ja alles wieder persönlich berichten.
Bis ganz bald!
Hannah y Felix
Ein Kommentar
Hallo ihr Beiden😄 das war wieder ein sehr spannender, interessanter und ausführlicher Bericht !!! BRAVO, einfach klasse👏👏 und ganz tolle Fotos….vielen lieben DANK euch BEIDEN dass wir auf EUREM ABENTEUER „dabei sein“ durften 🤗…gute Heimreise und bis bald…👋👋