Gut eineinhalb Tage hat es letztlich gedauert, vom Wanderparadies Huaraz ins Dschungelparadies Tarapoto zu gelangen, um von dort aus dann weiter nach Lagunas zu fahren, wo unsere einwöchige Dschungeltour mit dem Kanu starten sollte. Lagunas ist nur mit dem Boot erreichbar und es gibt keine Straße, die dorthin führt. Man beginnt also schon ganz schön im Nirgendwo, um sich dann noch weiter ins Nirgend-Nirgendwo zu kämpfen. Umso überraschter waren wir, als wir in Lagunas ankamen, denn anders als erwartet wohnen dort 8000 Menschen, die nur über einen Fluss mit der Außenwelt verbunden sind.
Zunächst aber landeten wir in Tarapoto, der größten Stadt in der Region mit um die 80.000 Einwohner*innen. Wir haben Glück, dass wir noch gerade so außerhalb der Regenzeit dorthin kommen, denn angeblich sind die Straßen zwischen Dezember und März aufgrund der heftigen Regenfälle oft kaum befahrbar. Trocken blieben wir trotzdem nicht, denn es ist unglaublich heiß und der Schweiß rinnt einem nur so von der Stirn, sobald man sich bewegt. Deshalb bewegt sich hier auch eigentlich fast niemand, alle fahren nur mit Mototaxis, was man aus Asien als Tuk-Tuk kennt und es gibt hier definitiv mehr Mototaxis als Autos und Fußgänger*innen zusammen. Obwohl Tarapoto recht weit weg von allem liegt und auch sicherlich nicht das Tourist*innenziel Nummer Eins in Peru ist, fühlen wir uns in der quirligen Stadt mit einer jährlichen Durchschnittstemperatur von 32,4 °C doch schnell wohl, nicht zuletzt, weil unser Hotel einen Pool und unser Zimmer eine Klimaanlage hat. Außerdem entdecken wir gute vegetarische Restaurants und so verbringen wir drei Tage hier mit Arbeiten, am Pool liegen und genießen das leckere Essen, denn wir befürchten kulinarisch nur das Schlimmste für unsere Dschungelwoche.
Auch einen kleinen Ausflug ins Auffangzentrum Urku machen wir, wo Tiere hingebracht werden, die man aus Privathaushalten gerettet hat und die dort wieder auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden. Wir können kaum glauben, was uns dort begegnet: Ein Ozelot, der als Hauskatze gehalten wurde, Schildkröten, denen man Löcher zum Anleinen in den Panzer gebohrt hat, zahlreiche Papageien und sogar ein Tapir, den mal irgendwer besessen hat. Auch viele Fische, die wir noch aus unseren heimischen Aquarien kennen, entdecken wir: Skalare und Neonfische oder die breit-mauligen „Putzerfische“. Danach machen wir noch eine kleine Wanderung zu einem Aussichtspunkt und kehren dann verschwitzt zurück in unser klimatisiertes Hotelzimmer. Zu meinem Lieblingsort wird das klimatisierte Einkaufszentrum auserkoren, denn eigentlich hält man es dort am besten aus. Ich frage mich, wie ich jemals hätte überleben sollen, wenn wir damals nach Kuala Lumpur gezogen wären. Ich entscheide mich dafür, dass ich wohl eher ein Bergmensch bin und bereite mich mental auf eine Woche im schwülwarmen Dschungel vor, denn ich befürchte, dass wir hier ohne Klimaanlage auskommen müssen.
Mit dem Sammeltaxi geht es dann endlich los nach Yurimaguas. Ich glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass es die schrecklichste Stadt Perus ist. Schon bei der Ankunft werden wir von Mototaxi-Fahrern belagert, die ungefragt unsere Rucksäcke entgegennehmen und sich fast prügeln, um uns kutschieren zu können. Auf der Rückfahrt wird es noch schlimmer sein, denn als wir dort mit dem Boot anlegen, dringen die Taxifahrer in das Boot ein und blockieren die Passagiere beim Aussteigen. Als ich dann noch ständig angefasst werde, reicht es mir dann. Wir sind froh, als wir wieder weg sind. Deshalb entscheiden uns, zu laufen, um dem Tumult zu entkommen und checken in unserer Unterkunft für die Nacht ein. Bereits um 2.45 Uhr morgens endet diese jedoch wieder, denn wir müssen zum Speed-Boot, das um 4.00 Uhr in Richtung Lagunas ablegt. Nach vier Stunden Fahrt werden wir von unserem Guide David empfangen und wir packen alles zusammen für unser 7-tägiges Dschungelabenteuer. Nochmal 30 Minuten Fahrt mit dem Moto-Taxi und wir stehen am Ufer des Flusses, den wir mit dem Kanu entlangfahren werden. Davids Frau Yury ist auch dabei, während die älteste Tochter zuhause auf die drei kleineren Geschwister aufpasst. In der Hauptsaison sind sie nur drei oder vier Tage pro Monat zuhause, ansonsten sind sie mit den Touren unterwegs im Dschungel, erzählen sie. Ziemlich heftig, finden wir.
Wir beladen also das Kanu und starten in Richtung Regenwald. Paddeln dürfen wir nicht – später, als wir es dann doch einmal ohne Fracht ausprobieren dürfen, wissen wir auch, warum. Denn das selbstgebaute Kanu aus Holz lässt sich gar nicht so einfach lenken und es ist wohl schon mehr als ein Tourist mitsamt Kamera und Reisepass im Fluss versunken. Ertrinken kann man hier jedoch nicht, der Wasserstand ist derzeit noch niedrig und meistens ist das Wasser gerade einmal hüfthoch. In der Regenzeit schwillt der Fluss dann um mehrere Meter an und überschwemmt die Ufer. Sechs Stunden dauert es, bis wir an unserem Lager für die Nacht ankommen. Zwei Italienerinnen sind auch gemeinsam mit uns und ihren Guides gestartet und sind schon vor Ort. Unser Guide David wird mit Häme und Gelächter von seinem Kollege empfangen, weil wir so „langsam“ waren. Dafür haben wir schon bei unserer ersten Tour einen Flussdelfin und ein Faultier gesehen.
Auch zahlreiche Vögel entdecken wir und ich versuche, mir die Namen und Geschichten von David zu jedem einzelnen zu merken. Das Lager ist vergleichsweise luxuriös, wir haben sogar Betten. Gewissenhaft spannen wir die Moskitonetze drumherum und sprühen alles mit unserem Moskitospray ein, in der Hoffnung, ohne Stiche am nächsten Morgen aufzuwachen. Wir freuen uns über das leckere Abendessen, das Yury uns kocht, es gibt frittierte Bananen, Reis und Gemüse und dann fallen wir todmüde ins Bett, obwohl wir eigentlich nichts gemacht haben.
Am nächsten Morgen paddeln die beiden weiter und bringen uns zu unserem zweiten Camp. Hier gibt es keine Betten mehr, sondern nur Matratzen auf dem Boden, aber wir machen es uns gemütlich. Aufgrund der zahlreichen Kakerlaken und gigantischen Spinnen sind wir dieses Mal noch dankbarer für das Moskitonetz und eigentlich sind mir die Moskitos nun auch völlig egal im Vergleich zu dem Grauen, was sonst noch im mit Palmenblättern gedeckten Dach lauert. Am Nachmittag machen wir noch eine kleine Wanderung in den Dschungel zu Fuß und haben das Glück, eine Horde Totenkopfäffchen zu erspähen. Meistens hört man sie, bevor man sie sieht, denn sie springen von Baum zu Baum und das macht ziemlich viel Lärm. Heute sind wir nicht ganz so müde und sitzen noch gemütlich zusammen beim Abendessen und erfahren vieles über die Arbeitsbedingungen der Guides hier vor Ort. Um ihre Lizenzen nicht zu verlieren, müssen sie quasi ehrenamtlich nebenbei mindestens 10 Tage im Urwald arbeiten, so will es die Regierung, aber sie bekommen dafür keine Entschädigung oder gar Bezahlung. Insgesamt ist die Situation in Lagunas prekär, erzählen sie uns, denn ob der fehlenden Straße gibt es auch kaum Arbeit und der Tourismus boomt noch nicht wirklich.
Am Morgen haben wir Glück und ein paar Äffchen hat sich in den Bäumen am Camp versammelt. Noch vor dem Frühstück starten wir eine zweistündige Wanderung durch den Urwald und sehen vor allem: viel Grün. Und gigantische Bäume, viele hundert Jahre alt und 60 oder 70 Meter hoch. Felix lernt außerdem noch, wie man ein Feuer macht, nachdem wir in den Bergen damit kläglich gescheitert sind. Außerdem sind wir mit dabei, wenn Yury und David fischen gehen, denn Fisch ist hier im Prinzip der Hauptbestandteil jeder Mahlzeit. Felix darf auch mal die Angel halten, doch als Tierliebhaber verfüttert er die Köder lieber an die Fische anstatt sie zu angeln. Zum Glück merkt David nicht, dass es Absicht ist und Felix das Abendessen der beiden boykottiert. Am Abend steht eine Nachtfahrt mit dem Kanu an, damit wir Krokodile sehen können und tatsächlich haben wir Glück und entdecken kleine und großer Vertreter.
Unseren vierten Tag im Dschungel starten wir früh, denn wir wollen mit dem Kanu weiter zu unserem dritten Lager und erkunden am Nachmittag auch hier ein bisschen die Umgebung. Auf dem Weg treffen wir auf eine Riesenotterfamilie, die höllisch Lärm macht und auch ordentlich stinkt. Aber die Otter gehören zu den „Big Five“ des Regenwalds, zusammen mit dem Jaguar, der Anakonda, dem Flussdelfin und dem Faultier. Immerhin haben wir jetzt drei von fünf gesehen und natürlich hoffen wir noch auf den Jaguar und die Anakonda. Heute ist es dann so weit und wir dürfen paddeln üben. Unsere Unbeholfenheit sorgt für großes Gelächter und uns wird klar, dass wir niemals das Kanu steuern werden dürfen. Bei einer nicht von uns verschuldeten Schieflage hat Yury bereits einen Topf und zwei Deckel sowie unser ganzes Salz verloren und anscheinend will sie keine weiteren Verluste riskieren…
Am nächsten Morgen starten wir nach dem Frühstück zu einer weiteren Wanderung, doch irgendwie kommen wir nicht so richtig voran. Außerdem müssen wir am Nachmittag auch wieder zurück, denn unsere fünfte Nacht verbringen wir wieder in unserem vorigen Camp. Der Nachmittag ist heiß und wir machen nicht viel, außer lesen und essen. Zwischendurch kühlen wir uns im Fluss ab, aber selbst das Flusswasser hat Badewannen-Temperatur. Am Abend gehen David und Yury fischen und wir legen uns in unser Moskitonetz-Zelt. Plötzlich kommt David und ruft „Hannah, Felix! Hemos visto un jaguar! Quisieran venir?“ Klar wollen wir und ziehen unsere Gummistiefel an. Wir sprinten ins Kanu und fahren zu der Stelle, wo David und Yury den Jaguar gesehen haben und hoffen, dass es immer noch in der Nähe ist. Als wir ihn nicht antreffen, drehen wir noch ein paar Runden den Fluss entlang. Doch das einzige, was uns entgegenfunkelt, sind die Sterne in der klaren Nacht und ein paar Glühwürmchen. Die Augen der Großkatze flimmern nicht im Licht der Taschenlampe auf und so verpassen wir knapp unseren Jaguar. Wenigstens eine kleine Schlange sehen wir noch, wenn auch keine Anakonda. Nachts ist der Regenwald irgendwie besonders magisch.
Am sechsten Tag fahren wir in unser erstes und letztes Camp. Am Nachmittag regnet es in Strömen und wir duschen im Regen. Die Zeit verging wie im Flug, obwohl wir manchmal gar nicht so viel gemacht haben. Wir gehen trotzdem früh schlafen, denn um 6.00 Uhr am nächsten Morgen wollen wir unsere Rückfahrt antreten. Der Fluss ist durch den Regen deutlich größer und wir fahren gegen den Strom. An den letzten beiden Tagen haben wir nochmal „tierisch“ Glück und treffen erneut die Riesenotter-Familie , ein Faultier, viele Affen und eine ganze Gruppe Flussdelfine sowie einen Tukan und viele Papageien. Außerdem finden die Guides eine tote Schlange im Wasser und sie erzählen uns, dass diese eine von zwei extrem giftigen Schlangen hier im Gebiet sei. Deshalb dürfen die Guide auch nicht mit uns in der Nacht in den Wald, denn die nachtaktiven Schlangen können zur tödlichen Gefahr werden, wie uns David erzählt. Einer der Guides ist von einer solchen Schlange gebissen worden und weil sie zu weit im Dschungel waren, dauerte es drei Tage, bis sie ein Krankenhaus erreichten, doch für den Guide kam jede Hilfe zu spät. Auch giftige Frösche und Spinnen gibt es hier, die sind zwar nicht tödlich, aber David erzählt uns von einem Spinnenbiss, der so schmerzte, dass er seinen Arm nicht mehr bewegen konnte. Zum Glück rückt er erst jetzt mit den Gruselgeschichten heraus…
Nach sieben Tagen im Dschungel erreichen wir dann wieder Lagunas. Eine Nacht verbringen wir noch hier, denn das Boot, dass uns nach Yurimaguas bringt, fährt erst um 5.00 Uhr am nächsten Morgen. Von dort wollen wir dann so schnell wie möglich zurück nach Tarapoto. Zurück in der Zivilisation merken wir, wie angenehm ruhig es die vergangene Woche war, auch wenn es eigentlich gar nicht ruhig gewesen war. Aber statt Autolärm und Hupen gab es vor allem Vogelgezwitscher und das Zirpen von Insekten. Wir verstehen nun besser, warum der Amazonas eine „grüne Hölle“ und ein „Paradies“ zugleich ist, wie man immer wieder hört.
Eine Nacht sind wir dann wieder dort, denn der Bus nach Chachapoyas, unserem nächsten Ziel, fährt erst am Dienstagabend und bringt uns über Nacht dorthin. Dort besichtigen wir die Ruine Kuelap, die auch „Machu Picchu des Nordens“ genannt wird und einen der höchsten Wasserfälle der Welt, den Gocta-Wasserfall, von dem uns bereits vorgeschwärmt wurde. Und dann brechen wir auf in die Hauptstadt Lima, unserer vorletzten Station in Peru. Mehr als einen ganzen Monat sind wir nun schon hier in Peru und die Zeit fliegt nur so davon. In Cusco bleiben wir dann nochmal für eine längere Zeit, bevor wir uns Ende November auf zur bolivianischen Grenze machen. Wir sind gespannt, wo wir wohl Weihnachten und Neujahr verbringen werden. Denn so langsam verlaufen unsere Pläne ein bisschen im Sand und wir rücken mehr und mehr von unseren ursprünglichen Plänen ab. So langsam entwickelt sich das ganze Unterfangen doch mehr und mehr zu einem Abenteuer, die Abstände zwischen Planung und Verwirklichung werden immer kürzer und wir immer spontaner – so hatten wir uns das vorgestellt.
Liebe Grüße aus der Zivilisation,
Hannah y Felix
Ein Kommentar
Hi ihr beiden Abenteurer,
einfach gigantisch….das ist wirklich „ABENTEUER PUR“…..liebe Grüsse Ilona