Nach einer Nacht auf dem Campingplatz in Coyhaique brachen wir am nächsten Morgen in das gut drei Stunden entfernte Puerto Río Tranquilo auf. Um unser Karma noch ein bisschen aufzufüllen, nahmen wir auf dem Weg noch zwei Tramper aus Deutschland mit in den abgelegenen Ort, der jedoch für seine Größe ein beachtliches Aufkommen an Tourist*innen verzeichnet. Der Grund dafür sind die sogenannten „Marmorhöhlen“, die man im Rahmen einer etwa dreistündigen Bootstour auf dem See General Carrera besuchen kann. Der Lago General Carrera ist der größte See Chiles und ein Teil davon liegt auf der argentinischen Seite, wo er allerdings Lago Buenos Aires genannt wird. Unser Ziel für diese Etappe ist El Chaltén in Argentinien:
Die Marmorhöhlen wurden durch Wind und Wellen des Sees vor 6000 bis 10.000 Jahren geformt und wenn man Glück hat und die Sonne scheint, scheinen sie in den verschiedensten Blautönen. Insgesamt muss man hoffen, dass das Wetter gut ist, denn vor allem am Nachmittag ist es oft so windig, dass die Boote nicht ablegen können. Wer die Höhlen mit einer Kayaktour besichtigen möchte, muss daher sehr früh morgens los. Wir wollen aber nur ein paar Stunden hier bleiben und nicht über Nacht, sodass die Kayaktour für uns leider nicht infrage kommt, denn es ist bereits Mittag. Mit dem Wetter haben wir dennoch Glück, es ist zwar windig, aber die Sonne scheint und der See leuchtet in allen Facetten der Farbe blau und die Schlieren verschiedener farbiger Gesteinsschichten ziehen sich über die Decken und Wände. Das Farbspiel kommt durch die Verunreinigung des Calciumcarbonats mit verschiedenen anderen Mineralien zustande.
Vor der Fahrt bekommen wir Schwimmwesten und Regenponchos, denn nass wird man aufgrund des Wellengangs trotzdem im Boot. Am Ufer gibt es zahlreiche Bootstourenanbieter und wir suchen uns einfach irgendeinen aus. Es gibt auch kürzere und billigere Touren, aber wir wollen direkt los und müssen 30.000 CLP pro Person für die drei Stunden bezahlen. Die Höhlen sind dann auch wirklich wunderschön und beeindruckend, allerdings sind die Bilder, die man vorab im Internet gesehen hat wie immer stark bearbeitet und so deutlich wie auf den Fotos sind die Farben in der Realität nicht. Außerdem sitzen wir auf der falschen Seite, was wirklich nervt, denn wir sitzen links und können deshalb kaum Fotos machen, wenn wir an einer der Inseln oder Höhlen auf der rechten Seite vorbeifahren und der Kapitän dreht auch nicht, damit alle ihre Fotos bekommen. Pro-Tipp ist also definitiv, auf der rechten Seite des Bootes Platz zu nehmen!
Nach der Bootstour wärmen wir uns bei einem Kaffee und einem fantastischen „Calafate Cheesecake“ im Café La Fogata auf, bevor wir uns noch einmal für zwei Stunden ins Auto nach Cochrane setzen. Hier verbringen wir nochmal eine Nacht auf dem Campingplatz, bevor wir am nächsten Morgen in den Parque Nacional Patagonia fahren, wo wir zwei lange Wanderungen und die Überquerung der Grenze nach Argentinien geplant haben. Am Parkeingang angekommen treffen wir bei der Anmeldung zwei nette junge Chilenen, die uns dann aber offenbaren, dass wir für die Grenzüberquerung am Paso Rodolfo Roballo bei der Polizei online ein Dokument vorab beantragen müssen, da es am Grenzposten keine Polizei gibt, die ein mögliches Ausreiseverbot wegen eines Delikts überprüfen kann. Im nebenan gelegenen Café gibt es zum Glück Internet und sogar eine Anleitung, wie wir die Beantragung online durchführen können. Jetzt müssen wir nur noch hoffen, dass es bis zum nächsten Tag überprüft und das Dokument zum Grenzübergang an unsere Mail gesendet wird, denn danach gibt es keine Chance mehr für uns, online zu gehen.
Wir bezahlen unseren Parkeintritt (9000 CLP pro Person) und für die zwei Nächte am Campingplatz (auch jeweils 9000 CLP pro Person und pro Nacht) und machen uns auf den Weg zum Camping Los West Winds. Davor zeigen uns die beiden von der Registrierung noch ein Video von einem riesigen Puma, der am Vortrag durch das Camp gestreift ist und erklären uns, was wir tun sollen, wenn ein Puma uns begegnet (In dieser Reihenfolge: langsam Schritt für Schritt zurückgehen, falls der Puma näher kommt, die Jacke öffnen und sich groß machen, wenn er dann in Angriffsposition geht: Kämpfe, als ginge es um dein Leben. Wir hoffen natürlich, einen Puma zu sehen, aber aus einer sicheren Distanz wäre uns das Ganze natürlich lieber (Spoiler: Wir sehen keinen Puma).
Unser Wanderpensum für heute sind stolze 23 Kilometer und 1100 Höhenmeter, aber das Wetter ist herrlich und die Aussicht atemberaubend. Der Trail mit dem Namen Lagunas Altas zählt sicherlich zu den schönsten Wanderungen, die wir bisher gemacht haben. Aufgrund der Abgelegenheit des Parks und der Länge der Wanderung ist auch kaum etwas los und wir haben die Natur ganz für uns. Auf dem Weg begegnen wir einigen Herden von Guanakos, die zur Familie der Lamas gehören (Lamas sind übrigens eine Art von Kamel!) und in Chile und Argentinien beheimatet sind.
Am nächsten Morgen müssen wir erstmal zurück ins Café und online checken, ob unser Salvoconducto, also unsere Erlaubnis, das Land zu verlassen, im Postfach angekommen ist. Wir haben Glück, das Dokument ist da! Dann geht es eine Stunde weiter mit dem Auto in den Park zum Campingplatz Casa Piedra. Von hier aus soll es am nächsten Tag 16 Kilometer den Los Avilés Trail entlang gehen. Der Trail ist kürzer und weniger anstrengend, aber auch ein bisschen weniger spektakulär als der Weg am Vortag.
Am nächsten Tag geht es in Richtung Grenze. Eigentlich klingt es nicht sonderlich spannend, den ganzen Tag im Auto über eine Schotterstraße zu fahren, aber die Landschaft ist unglaublich schön und wir sehen viele Guanakos, einen straußenähnlichen Laufvogel mit dem Namen Nandu und sogar einen kleinen Fuchs. Die Straßenverhältnisse sind abenteuerlich und zeitweise können wir nur 30 oder 40 km/h fahren. Der Grenzübergang ist zum Glück problemlos und auch unser Mietauto darf mit uns nach Argentinien einreisen.
Am Abend erreichen wir dann nach fast sieben Stunden El Chaltén, das Wanderparadies Argentiniens am Mount Fitz Roy – und sind schockiert. Überall laufen offensichtlich Europäer*innen und Amerikaner*innen mit kurzen Hosen (warum? – es hat 12 Grad Celsius) und in schicken Wandersachen durch die Straßen, wo sich ein Restaurant und ein Hotel an das nächste reihen. Doch Pech für uns: Nichts mehr ist frei, denn die Stadt platzt aus allen Nähten. Nach sieben Stunden Autofahrt und fünf Nächten im Zelt wollen wir eigentlich nur eine warme Mahlzeit und ein gemütliches Bett, zumal der Wind hier sturmartig bläst und eine Nacht im Zelt mehr als ungemütlich erscheint. Wir fahren einige Hostels ab, die laut Google noch freie Zimmer haben, doch alle sind bereits ausgebucht und ein Schild mit „Kein Zimmer frei“ (No hay lugar) hängt schon an der Fensterscheibe. Desillusioniert machen wir uns auf zum nächsten Campingplatz. Auf dem Weg dorthin kommen wir noch an einer Hospedaje vorbei und versuchen ein letztes Mal unser Glück. Und tatsächlich können wir hier für wenigstens zwei Nächte unterkommen.
Am nächsten Tag müssen wir dann weitersuchen, denn vier Nächte mehr wollen wir noch hier bleiben. Letztlich müssen wir noch drei weitere Unterkünfte buchen, um für jede Nacht einen Schlafplatz zu haben. In der zweiten Unterkunft erfahren wir dann, dass auch noch gestreikt wird und derzeit keine Flüge gehen, weshalb viele Menschen zum Hierbleiben verdonnert sind und so natürlich noch weniger Platz im ohnehin schon überfüllten El Chaltén verfügbar ist.
El Chaltén ist gerade einmal knapp 40 Jahre alt. Direkt am Fuße des ikonischen Mount Fitz Roy liegend wurde es 1985 gegründet und wurde schnell zu einem beliebten Ziel für Tourist*innen. Mehrere längere und kürzere Wanderwege kann man direkt vom Ort aus antreten und alle versprechen eine grandiose Aussicht. Als wir ankommen, ist das Wetter kühl, windig und sonnig, aber erstmal muss Felix arbeiten. Weil die Internetverbindung in unserer Unterkunft so schlecht ist, verbringen wir die nächsten Tage im Café Paisa. Wir nutzen den Abend für eine kurze Sonnenuntergangswanderung zum Mirador de los Condores und genießen den Ausblick über die Stadt und auf das Bergmassiv.
Für den nächsten Morgen habe ich eine kleine Laufrunde geplant, während Felix in Meetings steckt, und jogge zum Salto de Chorillo. Der Wasserfall ist nur 4 Kilometer von der Stadt entfernt und weil ich früh unterwegs bin, habe ich die Route für mich alleine. Ganz und gar nicht alleine sind wir allerdings, als wir am Freitagmorgen gegen 8.00 Uhr zur Laguna Torre am Cerro Torre loswandern. Der schmale Wanderweg ist prall gefüllt und weil der Weg ziemlich flach ist, wollen wir ein bisschen zügiger laufen, damit wir das schöne Wetter am Morgen in vollen Zügen genießen können, denn für den Mittag ist Wind und sogar ein bisschen Regen angekündigt. Gute 9 Kilometer sind es bis zur Lagune, auf deren vom Wind aufgerauter Oberfläche die vom Gletscher abgebrochenen Eisbrocken schwimmen. Der Wind ist auch ziemlich stark und so verweilen wir nicht lange, sondern machen uns direkt wieder auf den Rückweg. Noch zwei weitere Wanderungen haben wir für El Chaltén geplant, doch da wir diese am Samstag und Sonntag machen, haben sie in diesem Blogeintrag keinen Platz mehr bekommen und werden für nächste Woche in den Bericht aufgenommen.
Wir hoffen derweil auf gutes Wetter für unsere Wanderungen und wünschen euch natürlich auch viel Sonne und wenig Regen in Deutschland!
Hannah y Felix