Woche #12: Arbeiten in einem Start-Up

Diese Woche will ich (Felix) euch einmal davon berichten, wie mein Arbeitsalltag aussieht. Wir schreiben ja oft über Kultur, Natur und das schlechte Wetter aber fast nie darüber, was wir denn so unterm Tag machen. Das wird jetzt geändert.

Morgens bin ich immer der Erste in der Arbeit. Die erste Stunde von 7 bis 8 Uhr genieße ich die Ruhe und drehe meistens erstmal die Musik auf. Mein Arbeitsplatz ist ca. 20 Minuten mit dem Bus entfernt und liegt im Stadtteil Chapinero. Wer jetzt gedacht hat ich arbeite in einem Hochhaus im „Businessviertel“ hat sich leider geirrt. Das Gebäude von Polymath Ventures, die Dachfirma unter der insgesamt 6 Start-Ups ihr Unwesen treiben, war mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit früher ein bewohntes Haus und hat zwei Geschosse.

Das Gebäude sieht von außen zwar nicht wirklich groß aus (siehe oben), dafür dass dort 6 Firmen ihren Sitz haben, aber das täuscht etwas, da das Haus ziemlich verwinkelt ist. Eng ist es trotzdem. Besprechungsräume sind fast immer besetzt und wir sitzen wie auf einer Hühnerstange nebeneinander.

Der Platzmangel ist aber so ziemlich das Einzige negativ zu berichtende am Arbeitsplatz. Ich verstehe mich mit meinen Kollegen immer besser, auch wenn ich ab und zu nicht mitlachen kann wenn jemand etwas witziges gesagt hat weil ich es nicht verstanden habe. Das ist aber halb so wild, denn ich bin nicht der Einzige, der kein spanischer Muttersprachler ist. Bart, ein Holländer, versteht die Witze auch nicht und so haben wir beide nichts zu lachen. Die meisten meiner Kollegen sind tatsächlich gar keine Kolumbianer, sondern kommen aus anderen südamerikanischen Ländern wie Venezuela oder der Dominikanischen Republik.

Ich arbeite bei Autolab, ein Unternehmen, das seinen Kunden Reparaturen und Wartungen für Autos bietet. Wir selbst kooperieren aber nur mit Werkstätten und besitzen selbst keine einzige. Der Vorteil dabei ist, dass wir uns auf die Technolgien und Kundenaquise (Marketing!) konzentrieren können. Durch den Einstieg in diesen Industriezweig waren meine ersten Wörter auf Spanisch, die ich hier gelernt habe, auch keine alltagstauglichen Ausdrücke, sondern Wörter wie Ölwechsel (cambio de aceite), Kupplung (embrague) und Bremsscheibe (disco de freno).

Eine Werkstatt von Autolab

Die Hierachien sind extrem flach und so steht über mir als Teamleiter praktisch schon der Geschäftsführer. Das bringt zwei Eigenschaften mit sich, die ich schon in kurzer Zeit angefangen habe sehr wert zu schäzten:

  • Die Kommunikationswege sind so kurz, dass man nicht einmal eine Email schreibt, sondern immer alles persönlich bespricht
  • Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Solange ich es gut begründen kann und das nötige Kleingeld vorhanden ist, kann ich schalten und walten wie ich möchte: Neue Mitarbeiter einstellen, neue Projekte starten, neue Tools einführen …

Für meine Aufgaben bekomme ich ein Budget bereitgestellt, das ich möglichst klever nutzen muss, um neue Kunden zu gewinnen. Wenn mir das nicht gelingt (ist bis jetzt aber Gott sei Dank noch nicht passiert), hat unser Kundenservice keine Arbeit mehr. Die Kollegen dort rufen nämlich potentielle Kunden, die auf unserer Webseite ein Formular ausgefüllt haben, an um mit ihnen einen Werkstatttermin zu vereinbaren. Man muss dazu wissen, dass Kolumbianer Anrufe liebe. Hier passiert fast nichts über eine Email oder ein automatisches System. Es wird hauptsächlich am Telefon gequatscht, diskutiert und vereinbart.

Natürlich haben wir auch Ziele die wir erreichen müssen. Jede Abteilung hat Vorgaben, die durch eine Art – naja sagen wir mal „Gamification“ – erreicht werden sollen. Wer seine Ziele nicht erreicht, muss sich nämlich als Dragqueen für einen Tag verkleiden. Auch die Gehaltsstufen brechen aus dem traditionellen Kontext aus, indem man ihnen neue Namen verpasst hat. So wird aus dem Berufseinsteiger der „Padawan“ und aus dem Abteilungsleiter der „Jedi-Meister“. Eindeutig zuerkennen ist hier eines: Die Arbeit soll Spaß machen – und das macht sie auch 🙂

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2 Kommentare

  1. Das hört sich ja ziemlich ähnlich wie das System von Flixbus an. Welchen Vorteil bietet ihr dem Kunden wenn er zu euch anstatt direkt in eine Werkstatt geht? Habt ihr Exclusivverträge mit Werkstätten die einen günstigeren Endpreis bieten können?

    1. Es ist tatsächlich ähnlich wie Flixbus. Nur steht hier nicht wie in Europa nur der Preis im Vordergrund, sondern auch (und vielleicht vor allem) die Qualität. Es gibt viele kleine Werkstätten, die teilweise schlechte Ersatzteile einbauen und auch Teile mit guter Qualität, die nicht kaputt sind, austauschen, um sie weiterzuverkaufen (Welcome to Colombia).

      Wir sind zwar teurer als diese Werkstätten, bieten aber dafür eine Garantie und gute Qualität.

      Siehe dazu (falls es dich interessiert)
      https://polymathv.com/ventures/autolab/
      https://autolab.com.co/quienes-somos/

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